Türkei: Journalist Kadri Gürsel ist frei!

Mit seiner Geschichte starteten wir vor einem halben Jahr die Kampagne #FreeTurkeyJournalists in Österreich. Unsere Forderung: Freiheit für JournalistInnen in der Türkei! Über 10.000 Menschen aus der #aufstehn-Community hier in Österreich zeigten sich solidarisch. Nach Monaten internationalen Protests, kam Kadri Gürsel nun völlig unerwartet frei. 

Kadri Gürsel ist renommierter Journalist der Erdogan-kritischen Zeitung „Cumhuriyet“. Er wurde für den UNESCO World Press Freedom Prize nominiert und ist Vorstandsmitglied des International Press Institute (IPI). Ende 2016 wurde er gemeinsam mit KollegInnen festgenommen.

Damals schrieb er einen Brief aus dem Gefängnis in Hoffnung auf internationale Solidarität: “Ich würde auch mit euch zusammenstehen, mit denen ich jahrelang für die Pressefreiheit gekämpft habe.“ Nach elf Monaten U-Haft hat ein türkisches Gericht nun überraschend die Freilassung des unter Terrorverdacht angeklagten prominenten Journalisten angeordnet.

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So wie Gürsel geht es vielen JournalistInnen in der Türkei

Der Fall des deutschen „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel, ebenfalls inhaftiert, sorgt für Aufsehen und diplomatische Spannungen zwischen Berlin und Ankara.

Insgesamt wurden in der Türkei 170 Medien verboten, über 150 JournalistInnen inhaftiert. Ihr Verbrechen: Unabhängige Berichterstattung. Viele, die nur ihre journalistische Arbeit getan haben, sind wegen angeblicher Unterstützung einer terroristischen Organisation angeklagt.

Die Situation ist angespannt, aber nicht aussichtslos

Die Haftentlassung von Kadri Gürsel zeigt, dass internationaler Druck und Solidarität mit den inhaftierten JournalistInnen in der Türkei wirken kann.

Gemeinsam mit dem International Press Institute, Reporter ohne Grenzen und weiteren PartnerInnen fordern wir deshalb:

  • Die sofortige Freilassung aller inhaftierten JournalistInnen in der Türkei!
  • Die Achtung der Presse- und Meinungsfreiheit!
  • Ein Ende der Repressionen gegenüber JournalistInnen und Medien!

Über 10.000  Menschen aus ganz Österreich haben unsere Forderung bereis unterzeichnet. Am internationalen Tag der Pressefreiheit haben wir gemeinsam vor der türkischen Botschaft in Wien ein starkes Zeichen der Solidarität gesetzt.

Bitte unterstütze auch du unseren Appell und stärke die Stimme der internationalen Zivilgesellschaft: www.freeturkeyjournalists.at

#aufstehn-Aktion zu #FreeTurkeyJournalists mit IPI und Reporter ohne Grenzen vor der türkischen Botschaft.

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Quellen:
Deutsche Welle, 25.9.2017: „Cumhuriyet“-Journalist Kadri Gürsel kommt frei
Frankfurter Allgemeine, 29.8.2017: Merkel: „Nichts würde ich mir mehr wünschen“
FreeTurekyJournalists – internationale Kampagne

#FreeTurkeyJournalists – warum jede Unterschrift zählt!

Burcu Karakaş und Irfan Aktan sind JournalistInnen in der Türkei*. Bei ihrem Besuch in der Brunnenpassage in Wien berichteten sie über die besorgniserregende Situation für MedienmitarbeiterInnen und sprachen darüber, warum zivilgesellschaftliches Engagement und internationale Aufmerksamkeit so wichtig sind.

Vor vier Jahren wurden die Gezi-Park Proteste von der AKP ausgenutzt, um weitere “Regulationen” im ganzen Land durchzusetzen, erzählen die beiden. Seither gehe die Regierung gegen unabhängige Medien und JournalistInnen vor: Dutzende Medienhäuser wurden dicht gemacht, mehrere tausend MitarbeiterInnen entlassen. Viele kritische Stimmen mussten die Türkei verlassen.

Eine Gesellschaft ohne Journalismus ist eine Gesellschaft ohne Information

Ziel der Regierung sei es, so Irfan Aktan, eine abschreckende Situation für die Bevölkerung zu kreieren, insbesondere für junge Menschen, von denen sich wohl kaum noch jemand trauen würde, diesen Beruf auszuüben. Das Vorgehen der Regierung im habe zur Folge, dass die Bevölkerung auf soziale Medien ausweicht, um Informationen zu bekommen. Aber auch diese werden immer wieder gesperrt. Personen, die Informationen in sozialen Medien zur Verfügung stellen, werden bedroht oder festgenommen.

“JournalistInnen selbst sind eigentlich keine HeldInnen. Sie berichten höchstens über HeldInnen – das ist ihr Beruf. Journalismus transportiert aktuelle Geschehnisse und berichtet für uns Menschen, damit wir uns ein Bild machen und eine Meinung bilden können. Auf Grundlage dieser Informationen können Menschen in einer bestimmten Sache als Bevölkerungsgruppe entscheiden, aktiv zu werden. Genau dem schiebt die AKP einen Riegel vor. Genau diese Stimmen hat sie in den letzten Jahren gedämpft”, so Aktan.

Warum unser Engagement so wichtig ist

Auf die Frage, was Menschen in sicheren Ländern, wo Meinungs- und Pressefreiheit herrscht, in dieser Situation tun können, meint  Karakaş:

Internationale Aufmerksamkeit und Kampagnen für die Beendigung der Repressionen gegenüber JournalistInnen sind enorm wichtig. Jeder Schritt, jede Unterschrift zählt! Außerdem können Sie hier berichten und protestieren, auch das ist sehr wichtig.”

Aktan fügt hinzu: “In der Türkei ist es fast unmöglich geworden, über diese Ungerechtigkeiten zu berichten. JournalistInnen sind auch SchreiberInnen der Geschichte. Die Regierung hat Archive der von ihnen beschlagnahmten Medien zum Teil gelöscht. Gleichzeitig gibt es in der Türkei immer weniger Möglichkeiten Journalismus zu betreiben. Die Menschen müssen und werden diese Erinnerungen aber behalten –auch wenn es eine Zeit lang in der Türkei nicht möglich sein wird, darüber zu berichten. Das ist vor allem ein Anschlag auf unser Gedächtnis. Daran, was heute in der Türkei passiert, sollen sich die Menschen nicht erinnern können. Aber das werden sie, oder glauben sie etwa, dass es möglich sein wird, Erinnerungen auszulöschen?”

 

#FreeTurkeyJournalists: Über 10.000 Menschen haben den Appell an die türkische Regierung bereits unterzeichnet. Schließ‘ dich jetzt an: www.freeturkeyjournalists.at

 

*Burcu Karakaş schreibt u.a. für Journalismusplattform Journo. Irfan Aktan schreibt u.a. für Gazete Duvar und Express.