#KeineBühne für mutmaßliche Täter: Till Lindemann in Wien

(c) #aufstehn/Hannah Mayr

Im Vorfeld des Till Lindemann-Konzerts in der Wiener Stadthalle haben wir mit einer Aktion die Stadthalle zur Verantwortung gezogen: Unsere Botschaften #KeineBühne für mutmaßliche Täter und “Glaubt Betroffenen” waren unübersehbar. Wie unsere Aktion gelaufen ist, was Expertinnen dazu sagen und wie die Stadthalle reagiert hat, kannst du hier nachlesen.

Starke Botschaften, klare Verantwortung

Donnerstag, 27. November, 10:30 Uhr: Bei der U-Bahn-Station Burggasse/Stadthalle stehen die Leute still. Passant_innen bestaunen die unzähligen Botschaften, die auf dem Boden stehen. Anonyme Zitate wie “Er hat gesagt: Stell dich nicht so an, das gefällt dir doch” und “Es wirkte so, als würde er uns nicht als Menschen betrachten” machen die Leute fassungslos. 

Obwohl zahlreiche Vorwürfe sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauchs gegen Till Lindemann nicht restlos aufgeklärt werden konnten, tourt er weiter als wäre nichts gewesen. Auch in Wien – und das mitten in den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen. Obwohl die Stadthalle sich ihrer Verantwortung entzog, das Konzert abzusagen, war unsere Botschaft klar: Keine Bühne für mutmaßliche Täter! Das forderten wir gemeinsam mit mehr als 6.200 Unterstützer_innen unseres Appells.

Um unsere Forderung zu verdeutlichen, haben wir gemeinsam mit den Catcalls of Vienna entlang des gesamten Urban-Loritz-Platz Kreide-Botschaften hinterlassen. Expertinnen aus dem Opferschutzrecht und aus der Kunst- und Kulturszene haben mit Redebeiträgen unserer Forderung Nachdruck verliehen.  Zusätzlich zierte ein Banner mit der Aufschrift “#KeineBühne” den Eingang zur U-Bahn-Station. So haben wir einerseits unzählige Passant_innen auf das Thema aufmerksam gemacht. Aber auch die Konzertbesucher_innen zwei Tage später werden an unserer Botschaft nicht vorbeikommen.

Auf dem Bild sind die Expert_innen Dr.in Yara Hofbauer, Sophie Tschannett, die Catcalls of Vienna und Moderatorin Fatima Jost von #aufstehn während der Aktion zu sehen. Im Hintergrund ist das #KeineBühne Banner sichtbar, wie es über dem Eingang zur U-Bahn-Station Burggasse/Stadthalle gehängt wird.
(c) #aufstehn/Hannah Mayr

Was Lindemann vorgeworfen wird

Manipulation, Missbrauch, Machtdemonstration: Rammstein-Frontsänger Till Lindemann soll über Jahre hinweg zahlreiche Fans sexuell missbraucht haben (es gilt die Unschuldsvermutung). Betroffene wurden systematisch ausgewählt und rekrutiert – für Konzerte, Parties und persönliche Verabredungen mit dem Sänger [1]. Aber Lindemann kehrt nicht alleine zurück auf Tour: Alena Makeeva soll wieder für ihn arbeiten. Laut Medienberichten und Aussagen von mutmaßlich Betroffenen spielte sie bereits in der Vergangenheit eine zentrale Rolle im sogenannten Casting-System rund um den Rammstein-Sänger [2]. Dieses System war darauf ausgerichtet, Frauen in Situationen zu bringen, in denen ein klares „Nein“ kaum möglich war. Beim diesjährigen Hellfest in Frankreich soll Makeeva erneut Frauen angesprochen und in ein Hotel eingeladen haben. Angeblich, „um eine gute Zeit zu haben und Lindemann Gesellschaft zu leisten” [3].

Wie die Stadthalle Wien sich aus der Verantwortung zieht

Die schweren Vorwürfe rund um Lindemann zeigen: Die Konzerte sind kein sicherer Ort. Deshalb haben wir die Stadthalle Wien aufgefordert, das Konzert abzusagen und sie um eine Stellungnahme gebeten. Doch diese entzieht sich jeglicher Verantwortung. Sie sagt, dass sie nicht für die Überprüfung der Vorwürfe zuständig ist. “Niemand verlangt eine selbständige Überprüfung der Vorwürfe durch die Stadthalle – dafür gibt es ja die Judikative. Diese hat Lindemann aber eben nicht freigesprochen, sondern die Verfahren gegen ihn lediglich eingestellt”, so #aufstehn-Campaignerin Fatima Jost von #aufstehn. “Dem Sänger trotz der ungeklärten Vorwürfe eine Bühne zu bieten, und das auch noch während den 16 Tagen gegen Gewalt an Frauen, ist unverantwortlich. Wir glauben den Betroffenen.”, erklärt Fatima.

Eingestellte Verfahren heißt nicht automatisch Freispruch 

Die Verfahren gegen Lindemann wurden deshalb eingestellt, weil die Betroffenen anonym bleiben wollten. Dafür kann es viele Gründe geben – z.B. Angst vor Hassnachrichten oder mangelnde Ressourcen für einen jahrelangen Prozess. Dr.in Yara Hofbauer, Rechtsanwältin und Expertin für Diskriminierungsschutz und Opferrechte erklärt den Fall aus rechtlicher Sicht: „Im Rechtsstaat gilt die Unschuldsvermutung, nicht Verantwortungslosigkeit. Wenn die öffentliche Hand Till Lindemann eine Bühne bietet, dann sendet das ein falsches Signal an Betroffene sexualisierter Gewalt“.

Wie Till Lindemanns “Kunst” Gewalt verherrlicht

Kunst und Künstler können nicht voneinander getrennt werden. Vor allem dann nicht, wenn die Kunst so stark mit der eigenen Person und Inszenierung zusammenhängt, wie bei Lindemann. In seinen Texten drückt er Machtfantasien aus, in Musikvideos wird Gewalt an Frauen inszeniert und in Gedichten beschreibt er Vergewaltigungsfantasien. Sophie Tschannett von Muschikraft, Unternehmerin und Künstlerin, bringt es auf den Punkt: “Kunst darf nicht von der kunstschaffenden Person getrennt werden, warum sollte man das auch machen? Es handelt sich trotz allem, egal ob privat oder beruflich, um ein und dieselbe Person. Das Verhalten in den unterschiedlichen Rollen bedingt sich und muss als eins gesehen und sanktioniert werden.”

 

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Ihre Einschätzungen verdeutlichen: Veranstalter_innen tragen Verantwortung dafür, dass Besucher_innen sicher sind. Indem die Stadthalle einen mutmaßlichen Täter einfach so auftreten lässt, sendet sie ein falsches Signal an Betroffene sexualisierter Gewalt. Finanzielle Interessen dürfen niemals über das Wohl von Konzertbesucher_innen stehen.

Wie es jetzt weitergeht

Auch wenn die Stadthalle sich dazu entschieden hat, dem Sänger trotz allem eine Bühne zu bieten, bleiben wir weiter dran. Denn es ist unsere Verantwortung als Gesellschaft, den Betroffenen zuzuhören, Glauben zu schenken und uns mit ihnen zu solidarisieren. Nur so können wir dafür sorgen, dass Veranstalter_innen in Zukunft Machtmissbrauch und Gewalt eine klare Absage erteilen.

Ein großes Danke geht an die über 50 Menschen aus der #aufstehn-Community, die mit ihrer Spende die Aktion möglich gemacht haben!

Wenn auch du unsere Aktionen unterstützen möchtest, klicke hier um #aufstehn zu spenden.

Quellen:
[1] FM4.orf.at: „Row Zero“-Vorwürfe gegen Rammstein – fm4.ORF.at
[2] Der Standard: Neue Vorwürfe gegen Rammstein-Sänger Lindemann
[3] tagesschau.de: Hinter der Bühne von Rammstein
[4] Vorarlberger Nachrichten, 07.07.2025:Neue Vorwürfe gegen Till Lindemann bei Hellfest

Fatima ist Junior Campaignerin bei #aufstehn. Sie unterstützt das Team bei der Erstellung und Durchführung von Kampagnen. Davor hat sie Medien- und Eventmanagement studiert. Feminismus liegt ihr besonders am Herzen.