ÖVP, SPÖ und NEOS haben endlich das ORF-Gesetz repariert – wie es der Verfassungsgerichtshof (VfGH) seit Herbst 2023 fordert. Damit haben sie zwar den Einfluss von Kanzler und Regierung eingeschränkt – aber das reicht nicht. Über 33.000 Menschen fordern im Appell “Raus mit der Politik” den ORF umfassend vor politischem Einfluss und Angriffen abzusichern. Was es dazu braucht und wie es jetzt weitergeht, kannst du hier nachlesen:
Wie die FPÖ den Rundfunk zurechtstutzen wollte
Mit einer FPÖ-geführten Regierung hätte dem ORF Schlimmes gedroht: Direkt nach dem Start der Regierungsverhandlungen machte die FPÖ klar, wie sie den Öffentlich-Rechtlichen nach ihrem Belieben umkrempeln möchte. Mit der ÖVP im Schlepptau wollte sie bei wichtigen Sendern wie FM4 oder ORFIII kürzen [1]. Und statt der Haushaltsabgabe sollte der ORF auf lange Sicht aus dem Bundesbudget finanziert werden. So hätte der ORF jedes Jahr beim Finanzminister anklopfen und um Geld verhandeln müssen – was die Unabhängigkeit der Berichterstattung enorm gefährdet hätte [2].
ORF vor politischen Angriffen absichern
Schon im Frühjahr 2024 haben wir vor den Plänen der FPÖ gewarnt und betont, wie wichtig es ist, den ORF vor politischen Angriffen im Vorfeld abzusichern. Über 33.000 Menschen sehen das genauso und haben sich dem Appell “Raus mit der Politik aus dem ORF” angeschlossen und die türkis-grüne Regierung aufgefordert, den parteipolitischen Einfluss auf ein Minimum zu reduzieren. Gemeinsam mit Engagierten und Expert_innen von Presseclub Concordia und Reporter ohne Grenzen waren wir am Ballhausplatz. Gemeinsam haben wir mit hunderten Schirmen den ORF symbolisch vor Angriffen geschützt.
Türkis-Grün hat diese Aufgabe für die nächste Regierung liegen gelassen. Um ein Haar hätte sich die FPÖ das zunutze machen und den ORF zurechtstutzen können. Doch mit dem Ende der Verhandlungen und einer neuen Regierung aus ÖVP, SPÖ und NEOS kam es anderes. Sie hat die längst überfällige Gremienreform beschlossen und den Einfluss von Kanzler und Regierung auf Stiftungs- und den Publikumsrat verringert. Konkret beschlossen wurde [3]:
- Im Stiftungsrat (insgesamt 35 Mitglieder) bestimmt die Regierung nun sechs statt bisher neun Mandate. Die übrigen drei Mandate schlägt der Publikumsrat vor.
- Im Publikumsrat (insgesamt 28 Mitglieder, vorher 30) können Regierung und Medienminister 14 statt 17 Mandate bestimmen.
- Außerdem muss die Regierung bei der Bestellung „ihrer“ Stiftungsräte künftig stärker auf fachliche Qualifikationen und Ausbildungen sowie auf fachliche Ausgewogenheit im Stiftungsrat achten.
- Die Neubestellung der Gremien ist für Mitte Juni geplant.
ORF-Reform: Ein Minischritt
Die Gremienreform ist aber nur ein erster, kleiner Schritt. Wenn die Regierung und Medienminister Andreas Babler die Unabhängigkeit des ORF wirklich ernst nehmen, dann darf es nicht dabei bleiben. Im Regierungsprogramm haben ÖVP, SPÖ und NEOS durchaus mutige Vorhaben genannt: Mit “mehr Bürgerbeteiligung”, “vielfältiger Expertise”, “verstärkter Unabhängigkeit der Gremien” und “Stärkung des Publikumsrats” wollen sie die Unabhängigkeit des ORF noch weiter ausbauen und das Vertrauen der Bevölkerung stärken [4]. Offensichtlich besteht in der Regierung noch Uneinigkeit, denn Andreas Babler ruderte zurück: Für ihn ist der ORF nun “entpolitisiert” – er möchte es bei der Minimalvariante belassen [5]. Sepp Schellhorn von den NEOS spricht indes von einer größer angelegten Gremienreform in der Zukunft [6].
Für uns ist klar: Wir geben uns mit dieser Minimalvariante nicht zufrieden. Die Angriffe vonseiten der FPÖ haben aufgezeigt, warum wir den ORF absichern müssen. Und: Wir Bürger_innen müssen darauf vertrauen können, dass die bereitgestellten Informationen richtig sind. Um als Bürger_innen gute Entscheidungen treffen zu können, brauchen wir kritische Medien, die ohne Zuruf aus der Politik arbeiten und den Mächtigen auf die Finger schauen können. Gerade der ORF trägt als wichtige Säule unserer Demokratie dabei große Verantwortung.
Unser Einsatz für einen unabhängigen ORF geht weiter
Die neue Regierung hat jetzt die Chance, ein für alle Mal den politischen Einfluss im ORF zu minimieren – auch wenn das für die Politiker_innen bedeutet, ihre eigenen Möglichkeiten zur Einflussnahme auf den ORF zu beschneiden. Deshalb werden wir weiterhin unserer Forderung “Raus mit der Politik aus dem ORF” Nachdruck verleihen und Druck auf die Regierung ausüben, die Unabhängigkeit zu stärken. Unterzeichne jetzt den Appell. Falls du dich schon angeschlossen hast, dann leite ihn an deine Freund_innen weiter:
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Quellen:
[1] Der Standard, 08.01.2025: FPÖ und ÖVP sind bei ORF und ORF-Beitrag ziemlich beste Freunde
[2] Der Standard, 24.01.2025: Was die blauen Pläne zur Kürzung des ORF-Budgets um 15 Prozent für den Rundfunk bedeuten
[3] Kleine Zeitung, 26.03.2025: Regierung bei ORF-Beitrag und ORF-Gremienreform einig
[4] Der Standard, 27.02.2025: Neue ORF-Gremien sollen schon vor dem Sommer zusammentreten
[5] Der Standard, 23.03.2025: Reform der ORF-Gremien bleibt bei Reparatur stehen, für Babler „Entpolitisierung“
[6] Vorarlberger Nachrichten, 26.03.2025: Regierung einig bei ORF-Gremienreform und ORF-Beitrag