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#UnterdieLupe: Die Antwort des Gesundheitsministers

Mit über 126.000 Unterschriften im Gepäck haben wir bei Gesundheitsminister Johannes Rauch nachgefragt, ob es nun schon Pläne gibt, Pflege als Schwerarbeit einzustufen. Die Antwort: Es sei aus mehreren Gründen nicht möglich. Hier haben wir uns vier seiner Argumente für dich genauer angesehen:

Im Februar hatte die Petition “Pflege ist Schwerstarbeit” von Pflegerin Carolin A. auf unserer Petitionsplattform “mein #aufstehn” die 120.000er-Marke erreicht. Der perfekte Zeitpunkt, um ihrer wichtigen Forderung nochmals Nachdruck zu verleihen, damit Pflegekräfte mit einem Alter von 60 Jahren in ihre wohlverdiente Pension gehen können. Deshalb haben wir uns schriftlich an Gesundheitsminister Johannes Rauch gewandt, damit er uns ein Update zum aktuellen Stand gibt, weil er uns im August gesagt hat, er bleibe am Thema dran.

 

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Denn im August letzten Jahres haben wir ihm gemeinsam mit Petitionsstarterin Carolin die damals 86.627 Unterschriften übergeben. Und leider ist Rauchs Antwort ernüchternd. Wie schon bei unserem letzten Kontakt verwies er auf die unzureichende Pflegereform aus dem Vorjahr und dass die derzeitigen Gesetze die Pension mit 60 bereits ermöglichen. Das stimmt allerdings nur für einen Bruchteil der in der Pflege beschäftigten Menschen. 

Diese Antwort des Gesundheitsministers reicht uns nicht: Pflege muss in allen Sparten als Schwerarbeit anerkannt werden! Deshalb haben wir vier Argumente von Johannes Rauch unter die Lupe genommen:

Argument 1: “Pflegekräfte erfüllen bereits aktuell unter bestimmten Bedingungen die Voraussetzungen für Schwerarbeit”

Der Minister verweist hier auf einige Beispiele. So haben Pflegekräfte, die sechs Nachtschichten im Schichtdienst machen, einen bestimmten Kalorienverbrauch überschreiten oder in der Hospiz- und Palliativversorgung arbeiten, Anspruch auf den Status “Schwerstarbeit”. Das betrifft jedoch nur einen Bruchteil der Pflegekräfte. Viele Pfleger_innen erfüllen diese Bedingungen nicht. Und das, obwohl sie auch täglich an ihre psychischen und körperlichen Belastungsgrenzen gehen müssen.

 

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Argument 2: “Findet sich ein Berufsbild in dieser Liste nicht und sind Versicherte dennoch der Ansicht, Schwerarbeit zu verrichten, so sind diese nicht von vornherein vom Zugang zu einer Schwerarbeitspension ausgeschlossen.”

Der Gesundheitsminister verschweigt hier, dass die Bedingungen für die Anerkennung der Schwerarbeit oft sehr undurchsichtig und wenig nachvollziehbar sind. Am besten erklärt durch folgende Beispiele:

  • Ingrid leistet als Pflegerin mehrheitlich 12-Stunden-Dienste. Dabei kommt sie täglich über den erforderlichen Arbeitskilokalorienverbrauch für Schwerarbeit. Da sie aber aufgrund der Länge ihrer Dienste weniger Arbeitstage pro Monat hat (15 Arbeitstage müssten es sein), steht ihr kein Anspruch auf Schwerarbeit zu.
  • Herbert arbeitet auf der Unfallchirurgie und ist täglich mit Schicksalsschlägen konfrontiert. Die psychische Belastung ist hoch: Trotzdem ist er von einer Schwerarbeitsregelung ausgeschlossen, da psychische Belastung nur selten als Bedingung für Schwerarbeit zählt.

Zudem liegen uns persönliche Berichte vor, dass die Versicherung zur Feststellung, ob es sich um Schwerarbeit handelt, ganze Dienstpläne der letzten Jahre durchforstet. Aus unserer Sicht eine reinste Schikane.

Argument 3: “Eine Änderung des Zugangs zur Schwerarbeitspension kann aus gleichheitsrechtlichen Gründen nicht einfach für nur eine oder wenige einzelne Berufsgruppen erfolgen.”

Die Beispiele aus Argument 2 zeigen: Pflegearbeit hat eine hohe körperliche und psychische Belastung und Schwerarbeit wird wegen der aktuellen restriktiven Bedingungen oft nicht bewilligt. 

Anstatt die Arbeitsbelastung von Pfleger_innen mit der anderer Berufgruppen zu vergleichen, sollte hier auch auf die Einzigartigkeit der pflegerischen Tätigkeit eingegangen werden – wie in etwa die vielen 12-Stunden-Dienste, die vielen Nachtdienste oder die hohe psychische Belastung.

Argument 4: “In Anbetracht des über alle Branchen hinweg bestehenden Mangels an qualifiziertem Personal fokussiert die Bundesregierung darauf, die Arbeitsbedingungen für unterschiedlichste Arbeitskräfte während der laufenden Beschäftigung zu verbessern und Menschen möglichst lange einen gesunden Verbleib im eigenen Beruf zu ermöglichen.

Der Mangel an qualifiziertem Personal ist ein Problem, das jahrelang ignoriert wurde. Wir sehen es zunächst positiv, dass mit der letztes Jahr beschlossenen Pflegereform einige Arbeitsbedingungen verbessert und Pflege damit attraktiviert werden soll (in der Ausbildung, etc…). Dass Pflegekräfte weiterhin bis 65 arbeiten müssen, trägt bestimmt nicht dazu bei, dass der Pflegeberuf für junge Menschen oder Neueinsteiger_innen attraktiv ist.

Es kann nicht sein, dass Pflegekräfte arbeiten müssen, bis sie krank oder völlig erschöpft sind. Das hat katastrophale Auswirkungen auf die Gesundheit der Pfleger_innen, von ihrer sinkenden Leistungsfähigkeit gar nicht zu sprechen. 

Besorgniserregend ist auch: Viele Pflegekräfte können sich nicht vorstellen, bis 65 täglich über ihre Grenzen gehen zu müssen und schmeißen vorher das Handtuch. Interessierte überlegen es sich im Vorhinein oft anders und entscheiden sich gegen den Beruf. 

Wir bleiben dran

Diese Geschichten zeigen: Pflege muss endlich als Schwerarbeit anerkannt werden. Damit würden Pflegekräfte endlich die Wertschätzung bekommen, die sie verdienen. Zusätzlich würde sich das positiv auf ihre Gesundheit und Leistungsfähigkeit auswirken. Das sehen mittlerweile über 126.000 Menschen genau so. Sie alle haben die Petition auf unserer Plattform “mein #aufstehn” unterschrieben. Und auch für uns ist klar: Wir werden gemeinsam mit Petitionsstarterin Carolin A. und ihren Unterstützer_innen weiterhin dranbleiben, damit Gesundheitsminister Rauch die längst überfällige Forderung umsetzt.

Du hast die Petition bereits unterzeichnet? Dann teile diesen Link jetzt mit drei Freund_innen oder Bekannten:  mein.aufstehn.at/p/pflege

Falls du noch nicht unterschrieben hast, kannst du Carolin A. und ihr wichtiges Anliegen noch unterstützen. Hier geht’s zur Petition:

Johanna leitet und koordiniert die Petitionsplattform "mein #aufstehn". Sie betreut die Petitionen von engagierten Menschen und unterstützt sie bei ihren Anliegen. Schon während ihres Biologiestudiums setzte sie sich bei verschiedenen NGOs für Umweltschutz und Menschenrechte ein. Vor kurzem hat sie ihren Master in Umwelt- und Bioressourcenmanagement mit Schwerpunkt Klima abgeschlossen.