Nach der Nationalratswahl im Herbst ist die FPÖ die stimmenstärkste Partei – eine Regierungsbeteiligung mit Herbert Kickl als Kanzler steht bevor. Was das für uns alle bedeutet und wo wir besonders aufpassen müssen? Hier sind 9 Gefahren einer FPÖ-geführten Regierung.
1. Die FPÖ bedroht die Medienfreiheit
- “Links-woke Propaganda des Systems”, “Manipulanten”, “Schluss mit Klimapropaganda”, “ordentlich aufräumen”: Das sind nur ein paar Beispiele der vielen Beleidigungen und Drohungen von FPÖ-Stiftungsrat Peter Westenthaler und FPÖ-Mediensprecher Christian Hafenecker über den ORF [1]. Die FPÖ macht kein Geheimnis daraus, wie sie den ORF nach ihrem Belieben zurechtstutzen möchte [2]. Statt der Haushaltsabgabe möchte sie, dass der ORF aus staatlichem Budget finanziert wird. Dieses verhandelt die Regierung. Das bedeutet, dass sie direkt politischen Einfluss auf den ORF nehmen und ihn so von sich abhängig machen kann [3].
- Immer wieder hetzt Kickls FPÖ gegen kritische Medien und droht damit, ihnen die Medienförderung zu streichen [4]. Schon öfter hat die Partei einzelne Journalist_innen an den Pranger gestellt [5]. Der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky hat zum Beispiel den Namen und die Telefonnummer einer ORF-Mitarbeiterin auf X veröffentlicht, weil sie unliebsam über ihn berichtet hatte [5]. Und auf FPÖ-Veranstaltungen kam es zu Angriffen auf Journalist_innen [6].
- Gleichzeitig baut die FPÖ für ihre Propaganda ihr eigenes Mediennetzwerk auf. So gab Herbert Kickl sein erstes Interview nach der Nationalratswahl auf dem rechtsextremen Sender AUF1 [7]. Andere rechtsextreme Medien, wie den Heimatkurier, unterstützt die Partei mit Inseratschaltungen finanziell [8]. Der Heimatkurier ist das zentrale Medium der “Identitären Bewegung” [8].
2. Die FPÖ stellt den Rechtsstaat infrage
- Kickl hat die Unabhängigkeit der Justiz und anderer staatlicher Institutionen infrage gestellt. Besonders während seiner Zeit als Innenminister kritisierte er mehrmals den Verfassungsgerichtshof oder die Menschenrechtskonvention und betonte, dass das Recht der Politik zu folgen habe [9]. Das zeigt, dass er ein Problem mit der Gewaltenteilung hat – ein grundsätzliches Prinzip unserer Demokratie.
3. Die FPÖ unterstützt rechtsextreme Gruppen
- Herbert Kickl bezeichnete die Identitären als ein “unterstützenswertes Projekt” und verharmloste sie als “eine NGO von rechts” [10]. Dabei wird die “Identitäre Bewegung Österreich” vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft [11]. Aufzeichnungen einer Identitären-Veranstaltung in Wien zeigen etwa, wie Anhänger_innen den Holocaust als “geil” bezeichnen und ein “Srebrenica 2.0” fordern [11] (in Srebenica wurden 1995 bei einem Genozid über 8.000 Muslim_innen ermordet). Bei einer FPÖ-Wahlkampfveranstaltung haben Personen aus den Reihen der “Identitären Bewegung” ein Puls24-Kamerateam angegriffen [12]. Am Abend der Nationalratswahl 2024 feierten Mitglieder der Identitären gemeinsam mit der FPÖ auf deren Wahlfeier und sind ungeniert mit dem “White Power”-Zeichen auf einem Foto mit Kickl zu sehen [12]. Das Handzeichen wird von Rechtsextremen dazu verwendet, um eine vermeintliche Überlegenheit weißer Menschen auszudrücken [13]. Und das sind nur ein paar Beispiele dafür, wie eng die Verflechtungen der Identitären mit der FPÖ sind [14].
4. Die FPÖ pflegt Kontakte zu antidemokratischen Regierungen und Putin
- Bereits 2016 unterzeichnete die FPÖ einen Freundschaftsvertrag mit Putins Partei [15]. Und trotz des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine bleibt das Verhältnis der Partei zu Putins Regime freundschaftlich. EU-Abgeordneter Harald Vilimsky wütet immer wieder gegen die Russland-Sanktionen, bezeichnet diese mitunter als “Schuss ins Knie” [16]. Herbert Kickl fordert Verständnis für das kriegerische Regime und will vor allem eine “gesichtswahrende” Lösung für Russland [17].
- Den ungarischen Ministerpräsident Viktor Orbán nennt Herbert Kickl “Vorbild” [18]: Kurz nach Walter Rosenkranzs (FPÖ) Amtsantritt als Nationalratspräsident, hat dieser Orbán zu einem, laut FPÖ, “Freundschaftsbesuch” in Österreich empfangen [19]. An dem Arbeitsgespräch waren nur Mitglieder der FPÖ beteiligt. Das gibt einen Vorgeschmack darauf, wie eng eine FPÖ-geführte Regierung zukünftig mit Orban zusammenarbeiten könnte.
5. Die FPÖ verharmlost die Gräuel des Nationalsozialismus
- Ob “Volkskanzler”, “Volksverrat” oder “Fahndungslisten” – Herbert Kickl bedient sich immer wieder an Wörtern, die ihren Ursprung im Nationalsozialismus haben [20]. Geflüchtete Personen, die auf ein Asylverfahren warten, sollen laut Kickl „konzentriert“ an einem Ort gehalten werden [21]. Eine Wortwahl, die an die NS-Konzentrationslager erinnert und schlimme Erinnerungen an Gewalt und Unterdrückung wachruft.
- Über die Schutzstaffel (SS), die in der NS-Zeit maßgeblich an der Planung und Durchführung des Holocausts beteiligt war, sagt Herbert Kickl: “Da werden wir uns nicht darauf verständigen können, dass ein Verein als solcher oder eine Einheit wie die Waffen-SS kollektiv schuldig zu sprechen ist” [22]. Damit verharmlost Kickl die SS und ihre Gräueltaten während der NS-Zeit.
6. Die FPÖ in der Regierung ist eine Gefahr für Frauenrechte
- Herbert Kickl und die FPÖ klammern an einem veralteten Frauenbild und an einer vermeintlichen “natürlichen Ordnung” [23]. Herbert Kickl versteht darunter, dass Frauen Haushalt und Familie managen und Männer “den Rücken freihalten” [2]. Und schon bald könnte dieses Rollenbild mit Maßnahmen wie der “Herdprämie” wieder Realität werden [24]. Das würde Frauen noch abhängiger von ihren Partnern machen und das Risiko für Altersarmut steigern.
- Unter der letzten schwarz-blauen Regierung auf Bundesebene sind Gelder für Frauenhäuser und Gewaltschutzprojekte radikal gekürzt worden [25]. Eine ehemalige FPÖ-Politikerin ging so weit zu sagen, dass Frauenhäuser Ehen zerstören [26]. Beim Gewaltschutz könnten also weitere Rückschritte drohen.
- Mit der FPÖ in der Regierung könnte es auch Rückschritte beim Selbstbestimmungsrecht geben. Schon unter der letzten blauen Regierungsbeteiligung standen verpflichtende Beratungen und Einschränkungen bei Spätabbrüchen im Raum [27]. “Abtreibungen sollten so weit wie möglich verhindert werden”, sagt etwa Rosa Ecker, Frauensprecherin der FPÖ [28]. Kürzlich forderte die FPÖ eine verpflichtende anonymisierte statistische Aufzeichnung von Schwangerschaftsabbrüchen [28]. Expert_innen kritisieren diese sogenannten “Abtreibungsregister” [29]. Denn solche Register sind keine neutralen Datenbanken, sondern ein Mittel, um Frauen zu bewerten und Abtreibungen langfristig zu erschweren.
7. Die FPÖ ist eine Gefahr für queere Menschen
- Immer wieder äußern sich FPÖ-Politiker_innen und besonders Herbert Kickl abfällig gegenüber der LGBTQIA+-Community – sie wird zum neuen Sündenbock erklärt. “Bei einem freiheitlichen Volkskanzler gibt es keine Regenbogenfahnen mehr auf einem Regierungsgebäude. Da häng ich ja vorher noch die Piratenfahne auf”, hetzt Herbert Kickl bei einer FPÖ-Veranstaltung im November 2023 [2].
- “Wer will, dass die Familie bei uns gefördert wird und nicht von jedem Dach die Regenbogenfahne weht, der ist nicht rechtsextrem, sondern normal”, propagiert Herbert Kickl [2]. Für ihn besteht eine Familie “aus einem männlichen Vater und einer weiblichen Mutter” [30]. Die FPÖ will dieses “traditionelle Familienbild” laut Wahlprogramm verteidigen – was auf mögliche Einschränkungen bei queeren Familien schließen lässt [31].
8. Die FPÖ macht Migrant_innen zum Sündenbock
- In ihrem Wahlprogramm beschreibt die FPÖ konkrete Pläne, wie sie Migrant_innen ausgrenzen möchte: Gemeindewohnungen und Sozialleistungen, die über die Grundversorgung hinausgehen, soll es für Migrant_innen nicht geben [32]. Die FPÖ geht sogar so weit, dass sie ihrem Wahlprogramm ein Extrakapitel zu Massendeportationen widmet [32].
- Die FPÖ schürt Ängste, indem sie die Schuld für Gewaltverbrechen Migranten_innen in die Schuhe schiebt [33]. Und das obwohl es Studien gibt, die zeigen, dass der überwiegende Großteil der Täter_innen zwischen 2016 und 2020 Österreicher_innen sind [34].
9. Die FPÖ gefährdet unser Klima und unsere Umwelt
- Die FPÖ will den Klimaschutz in Österreich massiv zurückfahren. Immer wieder leugnen FPÖ-Politiker_innen die menschgemachte Erderhitzung [35]. Statt Klimaschutzpolitik werden Fortschritte im Klimaschutz zerschlagen und Herbert Kickl warnt vor der “Klimahysterie” [36].
- Statt dem Ausbau der Öffis und der Radwege will die FPÖ den Autoverkehr stärken [36]. Und schon zu Beginn der Koalitionsverhandlung stand das Ende des Klimatickets im Raum [37]. Während der Steiermark-Wahl plakatieren die Freiheitlichen “Steiermark bleibt Autoland” [36].
Was du jetzt tun kannst
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Dass die FPÖ bald mit Herbert Kickl als Kanzler regieren könnte, ist beängstigend und frustrierend. Viele fühlen sich jetzt ohnmächtig oder haben das Gefühl, den Geschehnissen ausgeliefert zu sein. Umso wichtiger ist es, jetzt gemeinsam aktiv zu werden. Deswegen haben wir hier 4 Dinge zusammengestellt, die du jetzt tun kannst:
Quellen:
[1] Der Standard, 29.01.2025: Westenthaler rabiat gegen ORF und andere Medien
[2] Horaczek, N. (2024). Kickl beim Wort genommen. Czernin
[3] Der Standard, 16.01.2025: FPÖ und ÖVP „wollen ORF schädigen und kürzen“, warnt Redaktionsrat
[4] Der Standard, 15.01.2025: Gefährliche Drohgebärden der FPÖ gegen Medien
[5] Der Standard, 21.01.2025: Vilimsky-Posting mit Daten einer ORF-Mitarbeiterin sorgt für Aufregung
[6] Die Presse, 06.10.2023: FPÖ-Security zerrt ORF-Satiriker Peter Klien weg: „Art und Weise…
[7] Der Standard, 16.01.2025: FPÖ und ÖVP „wollen ORF schädigen und kürzen“, warnt Redaktionsrat
[8] Der Standard, 18.01.2024: FPÖ inseriert in Propagandaorgan der Identitären
[9] Profil, 23.01.2019: Video: Kickl stellt rechtsstaatliches Prinzip in Frage
[10] Der Standard, 09.06.2021: Identitäre für Kickl „unterstützenswertes“ Projekt
[11] ORF.at, 29.08.2024: Rechtsextreme Identitäre: Innenministerium leitet Ermittlungen ein
[12] Profil, 30.09.2024: FPÖ-Wahlfeier: Red Bull, Identitäre und „germanisches Blut“
[13] Der Standard, 30.09.2019: Warum die „OK-Hand“ offiziell als Hass-Symbol gelistet wird
[14] Der Standard, 17.11.2023: Götz Kubitschek spricht auf Uni-Rampe und im FPÖ-Parlamentsklub
[15] ORF.at, 10.04.2024: FPÖ relativiert Freundschaftsvertrag mit Putin-Partei
[16] Der Standard, 10.05.2024: Vilimsky zur Russland-Nähe der FPÖ: „Im Rektum Putins waren andere unterwegs“
[17] Der Standard, 08.05.2022: Kickl fordert Verständnis für Russland und kritisiert EU-Sanktionen
[18] Der Standard, 31.08.2024: Kickls Traum und Ungarns Wirklichkeit
[19] Der Standard, 27.12.2024: Orbán-Besuch: Rosenkranz widerspricht früheren Angaben
[20] Der Standard, 21.01.2024: „Systemparteien“, „Volksverrat“, „Ketten brechen“ – Kickl und die Sprache der Nazis
[21] Der Standard, 11.01.2018: Kickl will Flüchtlinge „konzentriert“ an einem Ort halten
[22] Der Standard, 24.05.2024: Kritik an Kickl wegen früherer Aussage zur SS
[23] Der Standard, 19.07.2021: Kickl-FPÖ: Aggressiv „normal“
[24] Der Standard, 21.01.2025: Könnte die oberösterreichische „Herdprämie“ auch bundesweit eingeführt werden?
[25] Der Standard, 26.07.2018: Frauenprojekten in Österreich wird massiv das Budget gekürzt
[26] noe.orf.at: FPÖ: „Frauenhäuser zerstören Ehen“
[27] Der Standard, 07.05.2019: Die Fristenregelung im Visier der Abtreibungsgegner
[28] Der Standard, 18.09.2024: Abtreibungen in Österreich: Sehen die Parteien noch Handlungsbedarf?
[29] Der Standard, 05.09.2023: Tirol und Salzburg planen Register für Abtreibungen
[30] Der Standard, 18.07.2024: Wie homophob ist die FPÖ?
[31] Der Standard, 27.09.2024: LGBTIQ-Politik in Österreich: Was sagen die wahlwerbenden Parteien?
[32] Der Standard, 10.01.2025: FPÖ-Antiausländerpläne sind eine Gefahr für ein Fünftel der Bevölkerung
[33] fpoe-wien.at: Klubreport, Ausgabe 01/24
[34] bmi.gv.at: Femizide in Österreich. Eine Analyse der Justizakten aus dem Zeitraum 2016 bis 2020
[35] Der Standard, 14.09.2024: Österreicher wählen Klimaleugner, auch wenn sie dabei untergehen
[36] Der Standard: Wie Blau-Schwarz die Klimapolitik untergraben würde
[37] Profil, 15.01.2025: Wie die blau-schwarze Energiepolitik aussehen könnte