Kurz nachdem die ersten Betroffenen Ende Mai von sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch rund um Rammstein-Konzerte berichteten, startete #aufstehn einen Appell. Die Forderung “#KeineBühne für mutmaßliche Täter” richtet sich an die Konzertveranstalter_innen zweier Konzerte der Band in Wien. Binnen kürzester Zeit schlossen sich mehr als 17.000 Menschen an und forderten die Absage der Konzerte. Doch die Veranstalter_innen reagierten nicht – deshalb organisierte #aufstehn mit einem breiten Bündnis an Unterstützer_innen für den ersten Konzerttag am 26. Juli eine Aktion vor dem Wiener Ernst-Happel-Stadion. 1.800 Menschen versammelten sich – mit der Botschaft: “Wir glauben Betroffenen!”.
“Wir lassen die Konzerte nicht unkommentiert über die Bühne gehen”
Zuerst war’s ruhig, nur vereinzelt versammelten sich Menschen am Platz zur Kundgebung – während auf der gegenüberliegenden Straßenseite mehrere tausend Rammstein-Fans standen. Doch dann waren wir plötzlich viele: Insgesamt sind 1.800 Menschen dem Demo-Aufruf vor das Wiener Ernst-Happel-Stadion gefolgt. Mit Trillerpfeifen, Demoschildern und Fahnen haben wir ein Zeichen gesetzt. Ein Zeichen der Solidarität mit der Vielzahl an Betroffenen, die in den Wochen zuvor von Machtmissbrauch und physischer und sexualisierter Gewalt durch Mitglieder der Rammstein-Band berichteten.
Auf der Demo-Bühne sprachen Gastredner_innen darüber, wie weit verbreitet sexualisierte Gewalt in unserer Gesellschaft ist, wie selten Betroffenen geglaubt wird und mit was sie rechnen müssen, wenn sie in der Öffentlichkeit darüber sprechen. “Betroffene von Gewalt haben in der Tradition unserer Kultur den Mund zu halten. Insbesondere, wenn es um bekannte, mächtige Männer geht. Sich zu Wort zu melden wird umgehend bestraft: Du wirst verdächtigt zu lügen, dich wichtig zu machen und dir schlägt sehr viel Hass entgegen. Dann kommen die Klagsdrohungen oder Klagen. Alles Mittel, um Betroffene zum Schweigen zu bringen und die Verursacher freizuspielen”, erklärt Regisseurin und Drehbuchautorin Katharina Mückstein.
Unsere Gesellschaft schützt mächtige Täter mehr, als sie diejenigen schützt, die Hilfe brauchen würden: Die Betroffenen. Auch Sophie Berghäuser vom Theaterkollektiv Hybrid geht in ihrer Rede auf dieses ungerechte System ein: “Es gibt eidesstattliche Aussagen der Opfer sowie geprüfte Aufnahmen der Verletzungen. Und trotzdem wird Rammstein innerhalb der nächsten zwei Tage vor ca. einhundertzehntausend Menschen gehört werden. Was können wir nun tun, in einem System, in dem wir unsichtbar sind und schweigen sollen?“
Gerade deshalb ist es umso mutiger, sich zu äußern. Unser Respekt gilt all jenen, die sich trauen dennoch an die Öffentlichkeit zu gehen. Maria Rösslhumer, Geschäftsführerin der Autonomen Österreichischen Frauenhäuser, sagt dazu: „Unsere Hochachtung gilt all den betroffenen Frauen, die Anzeige erstattet haben, allen, die eidesstattliche Erklärungen abgegeben haben, allen Betroffenen, die sich auf den sozialen Medien gemeldet haben. Wir sind bei ihnen allen.”
Zu den Konzertbesucher_innen gerichtet, die sich am Rande der Kundgebung aufstellten, fragt Claim The Space-Aktivistin Kora: „Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass du das Opfer sein könntest? Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass du diejenige bist, die zu einer privaten Party mit dem von dir bewunderten Idol eingeladen wurde? Was wäre, wenn ich dir sagen würde, dass du diejenige bist, die später unter Drogen gesetzt und vergewaltigt wird, während du bewusstlos bist? Oder während du bei Bewusstsein bist und deine NEINs absichtlich ignoriert werden? (…) Würdest du nicht auch wollen, dass die Täter die Konsequenzen für ihre Taten tragen? Würdest du nicht auch eine Art von verdammter Gerechtigkeit wollen? Und gleichzeitig verhindern wollen, dass andere Menschen zu Opfern werden?“
#KeineBühne für mutmaßliche Täter
Als Ende Mai die ersten Vorwürfe gegen Till Lindemann ans Licht kamen und immer mehr Betroffene von ihren Erfahrungen berichteten, war für uns klar: Solange die Vorwürfe im Raum stehen, sind Konzerte der Band kein sicherer Ort für Besucher_innen. Deshalb forderten wir in einem Appell die Konzertveranstalter_innen bei Arcadia Live und die Stadionbetreiber_innen auf, die Konzerte abzusagen.
Als klar wurde, dass die Konzerte trotz allem stattfinden würden, beschlossen wir, ein starkes Zeichen zu setzen. Gemeinsam mit einem breiten Bündnis an Unterstützer_innen wie den Autonomen Österreichischen Frauenhäusern, dem Frauenvolksbegehren und der Initiative Claim the Space riefen wir dazu auf, am ersten Konzerttag zum Ernst-Happel-Stadion zu kommen und zu zeigen, wie viele hinter den Betroffenen stehen.
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Wie es jetzt weitergeht
Der Fall Rammstein zeigt gut, wie schwierig es ist, als Betroffene sexualisierter Gewalt Hilfe zu suchen – erst recht, wenn der mutmaßliche Täter eine mächtige Person in der Kulturbranche ist. Betroffene Frauen wurden beschuldigt, zu lügen oder sich ins Rampenlicht stellen zu wollen. Immer wieder wurde auf die Eigenverantwortung der Frauen verwiesen und Täter-Opfer-Umkehr betrieben.
Umso wichtiger ist es jetzt, dranzubleiben und für bessere Gewaltprävention und Schutzmaßnahmen zu sorgen – sowohl in der Musikbranche, als auch in unserer Gesellschaft.
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Medien berichteten
Auswahl der Medienberichte:
- Puls 24: 1.800 bei Demonstration gegen Rammstein-Konzert
- Die Presse: „#KeineBühne“: Lautstarker Protest gegen Rammstein-Konzerte in Wien
- ORF Wien: Rammstein: Jubel im und Protest vor dem Stadion
- Tiroler Tageszeitung: „#Keinebühne“ für mutmaßliche Täter: Proteste vor Rammstein-Konzerten in Wien
- Kronen Zeitung: „Eigenverantwortung hat einen fahlen Beigeschmack“