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Was steckt hinter dem Begriff “Ziviler Ungehorsam”?

© apa / Eva Manhart

Was hat das Ankleben auf der Straße mit der österreichischen Klimapolitik der 1970er zu tun? So einiges! Bei diesen Sitzblockaden handelt es sich um zivilen Ungehorsam – und der hat lange Tradition in Österreich. Was ziviler Ungehorsam ist, wieso es ihn gibt und warum die Reaktion der Regierung auf diesen Aktivismus so gefährlich ist, das kannst du hier nachlesen.

Öffentlich, gewaltfrei, gewissenhaft

Ziviler Ungehorsam ist eine “öffentliche, gewaltfreie und gewissenhafte Handlung, die gegen das Gesetz verstößt – in der Regel in der Absicht, eine Veränderung herbeizuführen”, erklärt Patrick Scherhaufer, Senior Lecturer am Institut für Wald-, Umwelt- und Ressourcenpolitik der Universität für Bodenkultur (BOKU) [1]. Wenn Entscheidungsträger_innen in bestimmten Bereichen untätig bleiben und damit das Allgemeinwohl aufs Spiel setzen, wird oft ziviler Ungehorsam als letztes Mittel eingesetzt, um Druck auszuüben. Dazu zählen zum Beispiel Sitzblockaden, Protest-Camps oder Aktionen, bei denen sich Menschen an Gegenständen anketten. Mit zivilem Ungehorsam zeigen Aktivist_innen, dass sie mit der derzeitigen Situation unzufrieden sind und dass Entscheidungsträger_innen endlich handeln müssen.

Ziviler Ungehorsam in Österreich ist überhaupt nichts Neues: Es gab ihn bereits bei Protesten gegen die Inbetriebnahme des Atomkraftwerks Zwentendorf in den 1970ern, sowie gegen das Wasserkraftwerk in der Hainburger Au in den 1980ern und auch vor kurzem beim Stopp der Untertunnelung der Lobau 2021. Gewaltfreie Proteste, die Gesetzesverstöße in Kauf nehmen, sind schon lange Bestandteil politischer Beteiligung – und damit ein Teil österreichischer Geschichte.

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Politiker_innen gefährden Aktivist_innen

In den vergangenen Monaten gab es mehrere Protest-Aktionen der “Letzten Generation”, bei denen sich Aktivist_innen auf Straßen festklebten oder in Museen Gemälde überschütteten, um auf die drohende Klimakatastrophe aufmerksam zu machen. (Hier muss dazu gesagt werden, dass Gemälde ausgewählt wurden, die hinter Glaswänden geschützt waren und bisher kein einziges Gemälde zu Schaden kam). Auf die Frage, wieso sie sich auf Straßen festklebt, antwortet mir Martha Krumpeck, Mitgründerin der “Letzten Generation”, dass sie ein Mensch ist, “der absolut völlig verzweifelt ist […], weil ich sehe, was um uns herum passiert.” [2] Damit meint sie die Folgen der menschengemachten Klimaerhitzung, die bereits auch unseren Alltag in Österreich beeinflussen: Extreme Hitze, ausgetrocknete Seen, schmelzende Gletscher, drohende Wasserknappheit und Murenabgänge.

Und anstatt den Fokus auf Klimapolitik zu legen und mehr Maßnahmen zum Schutz der nächsten Generationen anzukündigen, fordern mehrere Politiker_innen härtere Strafen für die Aktivist_innen. Ihr Ziel ist es, Klima-Aktivist_innen zu kriminalisieren und gleichzeitig von ihrem eigenen Nichtstun abzulenken. Strafrechtsexpert_innen bestätigten, dass diese Forderung nach härteren Strafen rechtlich nicht durchdacht sei [3]. Und dennoch haben die Politiker_innen damit eines bereits erreicht: Die Meinung in der Öffentlichkeit zu den Protesten hat sich ins Negative gedreht, Hass und Hetze gegen die Aktivist_innen haben sich verstärkt.

Hetze gegen Aktivist_innen – mit ganz realen Folgen

Von der Bezeichnung als unverschämt und kindisch bis hin zur Gleichsetzung mit Terrorist_innen: So wurden Aktivist_innen der “Letzten Generation” unter anderem in den Medien beschimpft. Besonders der Vergleich mit Terrorismus war und ist bis heute in vielen Medien zu lesen. Journalist_innen setzen damit Aktivist_innen mit Gewalttäter_innen gleich.

Das verharmlost nicht nur Terrorismus, bei dem tatsächlich Menschenleben gefährdet werden. Es ist zusätzlich ein Versuch, Klima-Aktivist_innen zu kriminalisieren – und das macht sie zu einer Zielscheibe. Die Aktivist_innen werden in den sozialen Medien mit Hasskommentaren und Gewaltandrohungen überflutet und sind in der Öffentlichkeit immer öfter körperlichen Angriffen ausgesetzt [5].

In Deutschland sehen wir bereits die Folgen der Kriminalisierung: Großangesetzte Razzien bei Klima-Aktivist_innen und die Einstufung als “terroristische Vereinigung” – alles, um die Aktivist_innen und ihre Unterstützer_innen einzuschüchtern. Damit werden diese in der öffentlichen Wahrnehmung komplett diskreditiert, indem sie in den gleichen Topf mit Extremist_innen und Terrorist_innen geworfen werden [6].

#aufstehn und Solidarität zeigen

Während einige Politiker_innen und Medien gegen die Aktivist_innen aufhetzen, erhalten die Klimaschützer_innen auch Rückendeckung. Rund 40 Wissenschaftler_innen aus ganz Österreich stellen sich solidarisch hinter die “Letzte Generation”. Mitinitiator Reinhard Steurer, Professor für Klimapolitik an der BOKU, stellt klar, dass die Forscher_innen die Ziele und auch die Art des Protests – also zivilen Ungehorsam – unterstützen [7].

Für uns steht fest: Ziviler Ungehorsam gehört zur österreichischen Geschichte und zum Fortschritt in der Klimapolitik. Solange die Politik unser aller Zukunft aufs Spiel setzt, der Wissenschaft nicht zuhört und endlich ins Handeln kommt, wird es zivilen Ungehorsam geben.

Wir von #aufstehn sind Teil der Klimabewegung und wir haben alle dasselbe Ziel: Wir fordern wirksame und nachhaltige Klimaschutz-Maßnahmen. Die #aufstehn-Community setzt sich seit Jahren sowohl online, als auch offline dafür ein: Wir tragen Appelle an die Entscheidungsträger_innen heran und fordern, dass Konzerne und Regierung endlich mit uns an einem Strang ziehen. Wir nehmen jährlichen am weltweiten Klimastreik teil. Und wir werden auch weiterhin dran bleiben und gemeinsam für Klimaschutz aufstehn.

 

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Quellen:
[1] furche.at, 25.01.2023: Klima-Aktivismus: Vom Kleben zum Überleben
[2] aufstehn.at: #aufstehn laut – der Podcast für alle, die was bewegen wollen!
[3] Der Standard, 09.01.2023: Klimakleber: Fachleute lehnen Ruf nach Anwendung des Strafrechts ab
[4] noe.orf.at, 16.01.2023: Gewessler gegen schärfere Klima-Kleber-Gesetze
[5] Heute, 20.02.2023: „Schleich di“ – Pkw-Lenkerin tritt auf Klima-Kleber ein & Heute, 13.03.2023: „Trottln“ – Wütende Autofahrer gehen auf Klima-Kleber los
[6] Der Standard, 24.05.2023: Razzia bei der Letzten Generation: Sind Klimakleber eine „kriminelle Vereinigung“?
[7] Der Standard, 10.01.2023: Klimaaktivisten blockierten Wiener Praterstern, Forschende bekunden Solidarität

Flora ist Campaignerin bei #aufstehn und unterstützt das Team bei der Erstellung und Durchführung von Kampagnen. Sie ist seit Jahren in den Bereichen Frauenrechte und Gender tätig und engagiert sich ehrenamtlich auch in anderen Vereinen. Zudem macht sie derzeit ihren Master in Gender Studies.