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Wie wir den Vertuschungsparagrafen entschärft haben

Wir haben es geschafft: Der umstrittene „Razzia-“ oder „Vertuschungsparagraf“ (§112a StPO), mit dem Hausdurchsuchungen bei Politiker_innen unmöglich gemacht werden sollten, wurde entschärft, nachdem über 8.000 von uns Stellungnahmen im parlamentarischen Begutachtungsverfahren abgegeben haben. Ein wichtiger Erfolg für uns alle! Hier erfahrt ihr, wie wir gemeinsam mit vielen engagierten Menschen diesen wichtigen Etappensieg zum Schutz unseres Rechtsstaats und unserer Demokratie erringen konnten.

Nach der Hausdurchsuchung bei Finanzminister Blümel, immer neuen verstörenden SMS-Nachrichten aus dem engsten Vertrautenkreis von Bundeskanzler Sebastian Kurz und Ermittlungen gegen ihn höchstpersönlich holte die ÖVP zum Angriff gegen die Korruptionsermittler_innen aus: Hausdurchsuchungen bei Politiker_innen sollten künftig stark eingeschränkt und nur mehr auf Ankündigung möglich sein. [1]

 

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Vereinfacht gesagt, hätten die Korruptionsermittler_innen (WKStA) um Amtshilfe bei den entsprechenden Behörden ansuchen müssen. Das kommt einer „Vorwarnung“ vor Hausdurchsuchungen gleich. „Da könnten schnell Handys oder Laptops in der Donau verschwinden“, sagte beispielsweise Verfassungsjurist Heinz Mayer. „Effiziente Korruptionsbekämpfung wäre nicht mehr möglich.“ [2]

Vor dem Hintergrund der aktuellen Korruptionsermittlungen hatte dieser Gesetzesentwurf also einen üblen Beigeschmack: Offensichtlich wollte man den Staatsanwaltschaften eine ihrer wichtigsten Instrumente bei den Ermittlungen gegen ranghohe Politiker_innen wegnehmen. Dafür sollte ein neuer Gesetzesvorschlag aus dem ÖVP-geführten Innenministerium sorgen, den man still und heimlich durch das Parlament winken wollte. 

Ein Versuch, Korruptionsverfahren zu untergraben

Doch da hat die ÖVP die Rechnung ohne uns gemacht! Schon in den vergangenen Monaten haben wir uns für den Schutz des Rechtsstaats und für die Unabhängigkeit von Justiz und Medien stark gemacht. Über 27.000 Menschen hatten nach zahlreichen Angriffen auf die Wirtschafts- und Korruptionsanwaltschaft eine von Expert_innen und engagierten Einzelpersonen gestartete Petition mit der Forderung “Hände weg vom Rechtsstaat” auf mein #aufstehn unterzeichnet, die wir an Justizministerin Alma Zadić überreicht hatten

Als zur selben Zeit die Pläne, Hausdurchsuchungen bei Behörden und Politiker_innen einzuschränken, bekannt wurden, legten wir noch eins drauf: Gemeinsam mit Jurist_innen analysierten wir den Gesetzestext und legten die kritischen Passagen offen. Wir programmierten eine Website, über die man ganz einfach Stellungnahmen im parlamentarischen Begutachtungsprozess einbringen konnte. Über 8.000 Menschen nutzten diese Möglichkeit, Kritik zu üben. [3][4]

 

Damit erregten wir nicht nur öffentliches Interesse in den Medien – auch die Politiker_innen reagierten: Der “Vertuschungsparagraf” wurde entschärft.

Wir haben den Angriff auf unseren Rechtsstaat abgewendet

Die vorgesehene Zurückdrängung von Hausdurchsuchungen in Behörden und bei Politiker_innen zugunsten von Amtshilfeersuchen („Vorwarnung“ von Behörden) ist vom Tisch. Die Neuregelung für Hausdurchsuchungen wurde auf Geheimdienst- und ausländische Unterlagen beschränkt. Damit bleibt gewährleistet, dass die Staatsanwaltschaft weiterhin auch bei Behörden, BeamtInnen und PolitikerInnen unangekündigt Hausdurchsuchungen durchführen kann. Das ist für Korruptionsermittlungen extrem wichtig.

 

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Dass der Paragraph entschärft wurde, ist ein Riesenerfolg und ein starkes Zeichen an die Politik: Wir schauen euch genau auf die Finger und wir lassen euch die Angriffe auf unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat nicht durchgehen!

Empfehlung: Podcast!

Falls du dich mehr mit dem Thema „Angriffe auf den Rechtsstaat“ beschäftigen möchtest, können wir dir unsere Podcastfolge Nr. 13 mit dem Verfassungsjuristen Heinz Mayer wärmstens empfehlen: Hier geht’s zum Podcast. 

 

Quellen:

[1] Der Standard, 29.03.2021: Staatsschutzreform: Bedenken gegen Razzia per Amtshilfe
[2] Krone, 4.04.2021: Gesetzesreform könnte Korruptionsjagd behindern
[3] Der Standard, 14.04.2021: Parlamentarischer Bürgerprotest gegen Razzia-Paragraf
[4] Kurier, 6.05.2021:Hausdurchsuchungen bei Politikern sollen erschwert werden 

Maria leitet das #aufstehn-Team. Als Geschäftsführerin kümmert sie sich um den Aufbau der Organisation, plant und koordiniert Kampagnen, schmiedet Koalitionen und spricht mit den Medien. Maria ist Obama Europe Leader 2022 und Trägerin des Wiener Frauenpreises.